Bei der Frage, ob es nach einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort gemäß § 162 StGB zu einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis oder nach Urteil zu einer endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis kommt, ist für den Mandanten oft entscheidend. Denn der Verlust der Fahrerlaubnis, welche regelmäßig mit einer Sperrfrist von mindestens sechs Monaten einhergeht, trifft die meisten Menschen doch deutlich härter als die eigentliche Strafe an sich.

Für die Frage, ob die vorläufige oder die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis im Falle des unerlaubten Entfernens vom Unfallort droht, ist § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entscheidend: Dort ist normiert, dass es für den Entzug der Fahrerlaubnis darauf ankommt, ob der Täter weiß oder wissen kann, dass bei einem Unfall ein  Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden ist oder an einer fremden Sache bedeutender Schaden entstanden ist.

Der Begriff des bedeutenden Schadens an einer fremden Sache kommt hier regelmäßig in der Praxis eine hohe Bedeutung zu, da bereits kleine Parkrempler mit augenscheinlich minimalen Schäden zu einem Verlust der Fahrerlaubnis führen können. Bei der Frage, ob ein Sachschaden „bedeutend im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB“ ist, wird meist auf die Wertgrenze in der Kommentarliteratur von 1.300,00 € abgestellt. Wenn ich also mit meinem Fahrzeug ein gegnerisches Fahrzeug touchiere und der Schaden 1.300,00 € beträgt und ich mich sodann vom Unfallort entferne, muss ich davon ausgehen, dass meine Fahrerlaubnis entzogen wird. Grundsätzlich kann dabei bei der Bestimmung der Schadenhöhe auf eine Rechnung der tatsächlich durchgeführten Reparatur zurückgegriffen werden. Liegt eine solche nicht vor, ist auf den Nettoschaden abzustellen.

Die Wertgrenze von 1.300,00 € überzeugt aus verschiedenen Gründen nicht. Zunächst wird man ebenso wie das Bayerische Oberlandesgericht in einem Beschluss vom 17.12.2019 zumindest auch auf den vom Statistischen Bundesamt für öffentlichen Verbraucherpreisindex abstellen müssen. Danach sind die Verbraucherpreise allein von 2002 bis 2018 um über 25 % gestiegen. Hinzu kommt die seit dem Jahre 2018 eingetretene Preissteigerung. Weiterhin sind die Verbraucherpreise für die Wartung und Reparatur von Fahrzeugen allein in den Jahren 2010 bis 2016 für sich genommen um 11,6 % angestiegen. Gleiches gilt für den Bereich der Bergungs- und Abschleppkosten. Als Beispiel kann hier die Bergung eines liegen gebliebenen Pkws bis 7,49 Tonnen aufgeführt werden. Zwischen den Jahren 2006 und 2016 stieg der Preis für ein Standardbergungsfahrzeug um 35,5 %. Schließlich darf die allgemeine Einkommensentwicklung nicht unberücksichtigt bleiben: Die Nettolöhne sind zwischen 2002 und 2019 (ohne Berücksichtigung der Inflation) um ca. 40 % gestiegen.

Dies führt dazu, dass selbst kleinste Lackkratzer aufgrund der heute üblichen Fahrzeugkonstruktion einen massiven finanziellen Aufwand auch wegen der notwendigen Lackierungsarbeiten bedeuten. Zwischen 1.000,00 € und 2.000,00 € für minimale Schäden sind nicht unüblich.

Vor diesem Hintergrund wird man an einer Wertgrenze von 1.300,00 € nicht festhalten können. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der bedeutende Schaden im § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB in einem Satz mit der Tötung oder ähnlichen Verletzung eines Menschen genannt wird. Dass dies nicht ansatzweise vergleichbar sein dürfte, liegt auf der Hand.

Hier kann man in der Verteidigung bei entsprechender Argumentation eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis rückgängig machen bzw. die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis verhindern.

Rechtsanwalt Klein berät sie bei Fragen rund um einen drohenden Fahrerlaubnisentzug.